Langsam füllt sich der Saal des Hoffmannhauses. Der Ortsbürgermeister und die Angestellten der Verwaltungsstelle sind bereits anwesend. Sie sitzen an zusammengestellten Tischen vor der Bühne des Saales. Zwei sich gegenüberstehende Tischreihen ergänzen dieses Podium zu einem offenen U.
Hier nehmen nun nach und nach die gewählten Damen und Herren des Ortsrates platz.
Man kennt sich schon länger. Das sieht man. Hände werden geschüttelt, ein paar kurze Worte gewechselt. Während der Leiter der Verwaltungsstelle noch ein paar Einstellungen am Beamer regelt, der in der Mitte der offenen Tischformation steht, wuselt ein Kellner geflissentlich durch die Reihen und interviewt die Anwesenden nach ihren Getränkewünschen.
Den Tischen des Ortsrats gegenüber steht eine Anzahl von Stühlen. Schön auf zwei Meter Abstand gestellt. So wie in Zeiten der Pandemie. Obwohl niemand mehr eine Maske zu tragen braucht – und es auch nicht tut. Vielleicht ist es eine gute alte Gewohnheit geworden. Wer weiß das schon?
Diese Stühle sind für die erwarteten „Bürgerinnen und Bürger“ vorbereitet. Denn wie jede Ortsratssitzung, ist auch diese Sitzung eine öffentliche Veranstaltung. Der Eintritt ist frei und auch erwünscht. Nichts soll hinter verschlossenen Türen ablaufen und es wird damit dem Bürger ein offenes Ohr vermittelt. Der Fairness halber soll nicht unerwähnt bleiben, dass dies allerdings nur bedingt gegeben ist. Denn eine Sitzung des Ortsrates ist in der Regel in zwei Teile geteilt. In einen sog. öffentlichen und einen nicht öffentlichen Teil. Das hat nichts mit Geheimniskrämerei oder irgendwelchen Verschwörungen zu tun, sondern geschieht aus praktischen Erwägungen heraus. Nicht alles, was in der Versammlung besprochen werden muss, ist bereits für die Öffentlichkeit vorbereitet. Halbe Informationen und „ungelegte Eier“ stiften nur Verwirrung. Und sicher gibt es Dinge zu bereden, die ganz bestimmte Personen betreffen und deren Persönlichkeitsrechte somit zurecht gewahrt werden müssen. – Zumindest ist dies eine recht einleuchtende Erklärung.
Aber die Ortsratssitzung beginnt immer mit dem eben erwähnten öffentlichen Teil.
Die Öffentlichkeit. – Außer dem Redakteur der örtlichen Zeitung hat sich diesmal nur ein einziger Besucher in den Saal verirrt. Dies erscheint auf den ersten Blick ungewöhnlich, doch die Erfahrung lehrt leider, dass Besucherzahlen meist recht überschaubar sind. Warum das so ist, hat vermutlich unterschiedliche Gründe, erschließt sich mir aber nicht vollständig.
Pünktlich, um die Anwesenden nicht auf verspätete Teilnehmer und Gäste warten zu lassen, eröffnet der Ortsbürgermeister die Sitzung.
Wir üblich beginnt sie mit der Einwohnerfragestunde. Hier soll jedem ermöglicht werden, Fragen zu stellen. Angenehme und unangenehme. Hier in der Öffentlichkeit kann sich dann auch niemand herauswinden und muss Rede und Antwort stehen. Genauso ist es gedacht. Die Einwohnerfragestunde ist die beste Chance, jenseits der Meinungsbekundung innerhalb einer Wahlkabine, seine Anliegen vorzubringen und möglichst direkte Antworten zu erhalten.
Ohne entsprechendes Publikum wird dieser Tagesordnungspunkt allerdings im Vorübergehen abgehakt. – Es werden keine Fragen gestellt.
Danach erfolgt vorschriftsmäßig die Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung. Die Anwesenden haben keine Einwände und das Protokoll gilt damit als genehmigt. An dieser Stelle sei erwähnt, dass mit den Anwesenden nur die gewählten Mitglieder des Ortsrates gemeint sind. Obwohl eine öffentliche Sitzung, haben Gäste und Besucher außerhalb der Einwohnerfragestunde kein Recht, sich in die Debatten, Aussprachen und Abstimmungen einzumischen. Dies wird allein den Abgeordneten zugesprochen. Sobald die Fragestunde für beendet erklärt wird, heißt es für Gäste: Ruhe bewahren!
Zugegeben: nicht alle nun folgenden Tagesordnungspunkte einer Ortsratssitzung sind für uns außenstehende Besucher interessant oder weltverändernd. Oft sind es Dinge, deren Hintergründe man gar nicht kennt, die aber durch Verwaltungsvorlagen, Ausschussentscheidungen oder Ähnlichem bereits im Vorwege geklärt wurden und nun lediglich der formellen Abstimmung zugeführt werden. Denn, wie in Deutschland lange Zeit üblich, muss alles seine rechtliche Ordnung haben.
Das Alles hört sich vielleicht etwas trocken und langweilig an. Auch Ortsratsmitglieder werden zugeben, dass es durchaus auch mal langweilig sein kann. – Weil eben, wie schon erwähnt, Vieles vorab in Ausschüssen und Fraktionssitzungen abschließend behandelt worden ist.
Wirklich aufhorchen sollte man als Zaungast dieser Sitzungen immer dann, wenn der Ortsrat besondere Gäste eingeladen hat. Meist handelt es sich dabei um Referenten der Stadt. Es sind aber auch schon mal externe Experten und Expertinnen anwesend, die zu speziellen Themen ihre Vorträge halten und Fragen aus dem Ortsrat beantworten. In dem sie mit ihrem Vortrag den Ortsrat informieren und aufklären, haben aber auch alle Gäste der Versammlung eine Chance ihr Wissen zu erweitern. – Zuhören und Mitschreiben ist ja, trotz des Ruhehaltens, weiterhin gestattet.
So erfährt der geneigte Zuhörer Dinge, die vielleicht noch nicht in der Zeitung zu lesen waren. Oder bekommt Hintergrundinformationen zu Sachverhalten, die bisher ganz anders wahrgenommen wurden.
Hier besteht letztlich der echte Nutzen eine Ortsratssitzung zu besuchen. Ganz nebenbei kann man den gewählten Volksvertretern bei der Arbeit auf die Finger schauen. Dort zeigen sich durchaus mal Seiten einer Person, die bisher nur als freundlich vom Wahlplakat lächelnd bekannt war, die man so gar nicht für möglich gehalten hatte. Dann können schon mal Masken fallen und es zeigt sich, wer Demokratie, Redefreiheit, Toleranz und gute Kinderstube verinnerlicht hat.
Sicher gibt es noch bessere Möglichkeiten seine Abende zu verbringen, als an einer Ortsratssitzung teilzunehmen. Aber ich finde, als interessierter Einwohner der Stadt, sollte man dies hin und wieder tun.
Die jeweiligen Sitzungstermine stehen natürlich im Fallerslebener Terminkalender oder auf der Webseite der Stadt.
Wer wissen möchte, wer als Abgeordnete oder Abgeordneter für welche Partei oder Vereinigung im Ortsrat tätig ist, findet eine Übersicht ebenfalls in der UnserFallersleben App.